Heute morgen hab ich in meinem Feed auf Mastodon einen Post über Luce gefunden. Dieser war, ich würde mal sagen, kritisch, aber mit einer Quellenangabe und so machte ich mich auf die Suche nach Hintergründen. Wer ist Luce? Luce ist das Maskottchen des Vatikan für das Hl. Jahr 2025, was ja in Kürze beginnt. Es ist im Manga Stil gehalten und soll wohl vor allem junge Leute ansprechen.
Quelle: https://www.tokidoki.it/blogs/collabs-projects/luce
Ich persönlich finde die Idee eines Maskottchens in diesem Stil sehr gelungen, auch wenn sie manche für gewagt halten. Die Mangakultur ist seit einigen Jahrzehnten auch in der deutschen Jugendkultur und in anderen europäischen Ländern, aber auch weltweit sehr ausgeprägt. Ich würde sogar behaupten, noch mehr als bei uns. Die geschlechtsneutrale Darstellung und die verschiedenen Ethnien von Luce und ihren Freunden sind gut gelungen. Man kann in meinen Augen nur kritisieren, dass niemand mit einer augenscheinlichen Behinderung mit vertreten ist, wobei viele Behinderungen ja auch nicht ersichtlich sind.
Doch was hat das mit Lernen zu tun? Sehr viel, den Avatare werden schon sehr lange in Lernsettings eingesetzt. Manchmal mit viel Erfolg und manchmal mit weniger Erfolg. Eines der berühmtesten Beispiele ist wohl Karl Klammer aus Microsoft Office, was aber eher ein negatives Beispiel ist. Es gibt aber auch viele positive Beispiele. Ich denke da immer gern an meine Kindheit und Helmi aus dem österreichischen Fernsehen zurück. Aber jedes kindgerechte Lernsetting arbeitet mit Avataren. Wer kennt nicht „Karies und Baktus“ aus den Filmen im Kindergarten oder die Serie “Es war einmal das Leben”.
Aber wir haben ja mit Erwachsenen zu tun, mag der Einwand sein. Ja das stimmt, aber in vielen Lernprogrammen haben wir einen realistischen Avatar, einen Moderator oder etwas Ähnliches, der uns begleitet, Sachverhalten erklärt oder einfach ein Protagonist, der die Lerner Story voranbringt. Gerade im Storytelling beim Lernen arbeiten wir oft mit solchen Figuren.
Beim Lernen versuchen wir eine Verbindung zum Lerner herzustellen. Im Konstruktivismus wird Lernen unter anderem als ein emotionaler und sozialer Prozess beschrieben (vgl. Erpenbeck, Sauter, 2014). Genau das versuchen Avatare oft aufzugreifen. Sie sollen beim Lerner Emotionen durch ihre Geschichte oder ihr “Mitgefühl” oder “Ermutigung” bei einer falsch gelösten Aufgabe wecken, gleichzeitig sollen sie das Fehlen der sozialen Interaktion kompensieren indem ein Avatar direkt den Lerner anspricht, sich Fragen stellt und zusammen mit dem Lerner Antworten sucht und viele weitere mögliche Szenarien.
Auch wenn das oben sehr plausibel klingt, wurde es im Cambridge Handbook of Multimedia Learning (Mayer 2014) postuliert, das nach dem Stand der Studien damals kein Nutzen ersichtlich war (vgl. ebenda p.154-156). Die Autoren haben aber in der Fassung von 2021 (Mayer/Fiorella 2021) ihre Aussagen abgeschwächt, da es mittlerweile einige Studien gibt, die einen minimalen Nutzen feststellten. Es zeigte sich, dass Pädagogische Agenten nützlich sein können, aber auch negativ auf das Lernen auswirken können (vgl. Mayer, 2021) sprich, die kognitive Last erhöhen können.
Wann sollte man nun Avatare und andere Pädagogische Assistenten einsetzen? Da die Studienlage, da derzeit nicht viel hergibt, können wir hier nur auf unsere Erfahrung vertrauen oder auch einfach mal ausprobieren. Das Testen von E-Learning Projekten an einer Testgruppe aus der Zielgruppe sollte immer ein Teil unserer Arbeit sein. Dies kann uns helfen zu sehen, ob unser Design den Designprinzipien für gute E-Learning Inhalte entspricht. Ob unsere Ziele erreicht werden können mit dem, was wir produziert/gekauft haben oder produzieren haben lassen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass aufgrund der Kosten bei der Produktion von Avataren, sich der Kosten Nutzen Effekt gut überlegt werden sollte. Ich denke, es kommt hier sehr drauf an, was ich vermitteln möchte, mit welcher Lerntheorie ich arbeite und wie meine Zielgruppe aussieht. Diese Faktoren beeinflussen stark in meinen Augen und aus meiner Erfahrung, ob ein Avatar eine Bereicherung oder eher abträglich für mein Lernprojekt ist. Ich denke, auf diesem Forschungsfeld wird sich die nächsten Jahre aber einiges tun. Durch die Entwicklung von immer leistungsstärkerer KI, die menschliche Reaktionen besser analysieren und simulieren kann, werden wir hier bald viel Neues sehen, besonders wenn man bedenkt wieviele Plattformen gerade an einem/einer virtuellen KI Freund/in arbeiten.
Literatur:
- Erpenbeck, J., & Sauter, W. (2007). Kompetenzentwicklung im Netz: New Blended Learning mit Web 2.0. Luchterhand.
- Mayer, R. E. (Hrsg.). (2014). The Cambridge handbook of multimedia learning (Second Edition). Cambridge University Press.
- Mayer, R. E. (2021). Multimedia learning (Third edition). Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/9781316941355
- Mayer, R. E., & Fiorella, L. (Hrsg.). (2022). The Cambridge handbook of multimedia learning (Third edition). Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/9781108894333
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