Sichere Navigation des Corporate Learnings mit einem Disruptionsradar? – Bericht vom Frühlingsforum 2025 des Münchner Bildungsforums

Bild mit der Titelpräsentationsfolie vom Münchner Bildungsforum Frühjahrsforum 2025

Ich war diesmal das erste Mal bei einer der Veranstaltungen des Münchner Bildungsforums (MBF). Das Frühlingsforum fand letzten Freitag, am 04. April, bei der Airport Academy des Flughafens München statt. Der Titel der Veranstaltung lautete: „Destination Wild L&D: Wandel, Innovation, Lernen, Disruption“.

Der Veranstaltungsort unterstrich in meinen Augen bereits das Thema. Das Gebäude der Airport Academy bot neben schönen Räumen auch anregende Orte zum Vernetzen, die angenehme und flexible Lernräume in der physischen Welt für das informelle Lernen boten.

Zu Beginn starteten Alexander Hörmer (Airport Academy) und Kai Liebert (MBF). A. Hörmer stellte kurz den Flughafen als Arbeitgeber vor und erläuterte die räumliche Konzeption der Airport Academy, welche in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut entwickelt wurde.

Disruption

Kai Liebert gab einen kurzen Impuls darüber, was Disruptionen sind und welche Auslöser diese haben können. Danach erläuterte er den Verlauf von Disruptionen, die exponentiell, als Trendbruch, als Katastrophe (ich würde eher von einem plötzlich eintretenden Ereignis sprechen) oder als Erosion auftreten können. Letzteren Verlauf sah er als den kritischsten an, da dieser zwar lange sichtbar ist, aber an einem Kipppunkt volle Wirkung erzeugt und dann nicht mehr bzw. schwer veränderbar ist. Der Verweis auf die Klimakrise fand ich in diesem Kontext sehr passend. Danach wies er darauf hin, dass Disruptionen neben Risiken auch Chancen bieten und es darum geht diese zu nutzen.

Damit war der erste Begriff aus dem Titel aufgegriffen, wenn auch nicht abschließend behandelt, da er später noch ausführlicher thematisiert werden sollte.

Innovation

Das war eine perfekte Überleitung zu V. Jacobsen, Leiterin Digital am Flughafen München. Sie ist quasi für das Thema Innovation zuständig und berichtete, wie der Flughafen mit Disruptionen umgeht und umging. Der Bericht über die Corona-Pandemie sowie aktuelle Disruptionen im Flughafenbetrieb war wirklich spannend und zeigte, wie komplex die Welt mittlerweile ist. Sie berichtete, dass sich nach der Corona-Pandemie die Anforderungen an einen Flughafen geändert haben, da sich das Flugverhalten und die Ansprüche der Kunden, besonders bei digitalen Prozessen, verändert haben. Hinzu kommt der Generationenwechsel, der viele andere Unternehmen und Institutionen ebenfalls beschäftigt. Spannend fand ich, dass sich einige Flughäfen in einem Innovationsnetzwerk zusammengeschlossen haben und an einer einheitlichen Customer Experience arbeiten wollen, wobei neue oder alternative Verfahren und Techniken verteilt getestet werden.

Man sieht hier, dass die Komplexität der Welt eine Globalisierung notwendig macht und zeigt, dass Globalisierung per se nichts Schlechtes sein muss. Wie vieles auf der Welt und im Leben sind bestimmte Konzepte nicht gut oder schlecht, sondern es kommt darauf an, was wir daraus machen und mit welchen Werten wir diese füllen.

Sie stellte drei Aspekte vor, nach denen der Flughafen arbeitet:

1. Innovation stirbt in Silos – Teilen heißt überleben


Der Flughafen erreicht dies durch cross-funktionalen Austausch, z.B. mit Hilfe einer Digital Community, die bereichsübergreifend ist, einer Fehlerkultur, sprich es gibt Lernräume, in denen Fehler gewollt sind, und Co-Innovation.

2. Wir träumen von der Zukunft, aber die Gegenwart ist nicht bereit

Ich musste hier innerlich lachen, da ich das in der Vergangenheit schon oft erfahren habe und von einer ehemaligen Vorgesetzten einmal hörte, dass ich 10 Jahre zu früh dran sei. (In diesem Kontext muss ich den Satz in „Ich träumte von der Gegenwart, aber das Unternehmen lebte noch in der Vergangenheit“ ändern). Ich denke, das kennen viele, die in großen Firmen oder im (quasi) öffentlichen Dienst tätig sind.

Der Flughafen startet bei Innovationen mit den Basics und „Commodities“, also kleine Schritte und Quick Wins. Dann ist Grundlagenarbeit ein weiterer Aspekt, was bei einem regulierten Bereich wie dem Flughafenbetrieb immer notwendig ist. Das Vorgehen ist klassisch, aber zielführend: vom MVP (Minimum Viable Product) zum flächendeckenden Rollout.

3. Wenn es dem Kunden nicht passt, dann passt es nicht


Mit der ITIL-Brille sah ich hier gleich das Konzept Utility und Warranty, wobei es hierbei primär um Utility, also den „fit for purpose“, geht. Ein Service muss die Bedürfnisse eines Nutzers/Kunden befriedigen. (Bei Warranty handelt es sich um den „fit for use“, sprich die Anforderungen an Verfügbarkeit, Kapazität, Sicherheit und Kontinuität. Im Grunde gehören beide immer zusammen. Ein Service, auf den ich mich nicht verlassen kann, nutze ich genauso wenig).

Es geht darum, Kundenwünsche abzufragen und zu verproben, nicht nur anzunehmen. Letzteres erlebe ich leider immer noch oft, egal ob es sich um Software oder Trainings handelt. Wir sind oft schnell sicher, was unsere Kunden wollen, und umso wichtiger ist es, mit ihnen zu reden und dann auch mal zu testen, ob es das ist, was wir programmieren, schulen etc. Dass der Flughafen hier eine Methode verwendet, die an Design Thinking angelehnt ist, ist denke ich selbsterklärend und absolut sinnvoll.

Ein weiterer Punkt ist, Komplexität zu reduzieren und Informationsoverload zu vermeiden. Jeder, der sich mit Usability und/oder lernförderlicher Gestaltung von Medien (z.B. Cognitive Load Theory) beschäftigt, weiß dies.

Ein weiteres Prinzip, nach dem sie arbeiten, ist „One-Size-doesn’t-fit-all“, und das finde ich wirklich bemerkenswert in einer Welt, in der aus „Digital First“ oft ein „Digital Only“ wird. Neben der Barrierefreiheit gibt es viele andere Gründe, alternative Wege für den Zugang zu einem Dienst zu ermöglichen. Ja, digital only mag oft billiger sein, aber wie wir oben gesehen haben, geht es um Utility und Warranty für den Kunden, nicht nur um die günstigste Lösung. Der Kunde ist das, was wir immer im Auge haben müssen, auch beim Lernen.

Der letzte Aspekt war dann noch zentrale Kanäle und Plattformen mitzudenken. Die Ökosysteme in der Wirtschaft (oder in der Welt) sind komplex und stark vernetzt. Nicht einmal die Kirche, meine Arbeitgeberin, agiert in ihrem Ökosystem mehr allein.

Was das mit Lernen zu tun haben könnte, fasste Frau Jacobsen am Ende noch zusammen:

  • Es gibt kaum Veränderungen ohne Notwendigkeit.
  • Kompetenzen für Data und KI.
  • Kundenzentrierung.
  • Kuratierung.
  • Kollaboration.

Um das aus meiner Sicht zu interpretieren:
Es braucht Disruptionen, damit es Veränderungen und damit Innovationen gibt. „Never change a running system“ kennen viele, aber wenn es kaputt ist oder droht kaputtzugehen, muss ich Veränderungen vornehmen.
Data und KI werden immer wichtiger, auch beim Lernen. Data hilft mir u.a., das Verhalten und meine Lerner zu verstehen, KI wird mir helfen, z.B. Lerninhalte schnell und passend zu erstellen.
Über Kundenzentrierung habe ich oben schon geschrieben.
Die Kuratierung von Inhalten wird immer wichtiger, da vieles schon da ist und ich somit nicht nur Kosten sparen kann, sondern auf bestehende Qualität bauen kann. Ich denke, im Kontext von OER (Open Educational Resources) liegt hier noch viel Potenzial, das insbesondere im Corporate Learning Kontext noch viel zu wenig umgesetzt wird.
Das führt uns zum letzten Punkt: Kollaboration. Wir werden cross-funktional, branchenübergreifend und vielleicht sogar kirchenübergreifend mehr zusammenarbeiten müssen, um den komplexen und teils chaotischen Herausforderungen zu begegnen. Ja, VUCA lässt grüßen.

Wandel und Lernen – Das Corporate Learning Disruption Radar

Der nächste Teil war dann praktischer Natur. Man machte sich daran, kollaborativ die Frage zu beantworten, welche Themen das Potenzial haben, Corporate Learning grundlegend und dauerhaft zu verändern und wie sich das auswirkt. Ziel war es, Themen zu identifizieren, die heute schon, in 2 Jahren, 5 Jahren und mehr als 5 Jahren relevant sind.

Die Teilnehmer wurden auf 4 Bereiche aufgeteilt, mit je 1-2 Arbeitsgruppen. Die Bereiche lauteten:

  • Gesellschaft inklusive Kultur und Umwelt.
  • Technologie.
  • Arbeiten und Lernen.
  • Inhalte inklusive Organisation.

Ich war im Themengebiet Arbeiten und Lernen und es war richtig spannend, wie die Kolleg:innen den Blick in die Glaskugel wagten. Manchmal begleitet von einer „Oh, das geht schon“-Erkenntnis, war es ein toller Austausch. Einen kleinen Ausblick möchte ich über die Themen geben, die wir identifizierten, aber zu viel möchte ich einer Auswertung und Publikation durch das MBF nicht vorgreifen. Mittelfristig rechneten wir aber mit KI-gestützten Lernbuddies, die hyperpersonalisiert sind sprich denen das genaue (Vor-)wissen des Lerners bewusst ist und On-Demand Lerninhalte automatisch didaktisch aufbereitet zur Verfügung stellen. Die Arbeit von L&D wird sich dadurch aber auch ändern und Skill- und Kompetenzprofile werden zunehmend an Bedeutung gewinnen. Da eine Gen AI solche Lernbuddies bei Berufsbeginn schon kennt, wird es die Aufgabe von L&D sein, die aktuelle Belegschaft darauf vorzubereiten, d.h. die Digital Gap, die jetzt schon existiert, zu reduzieren und auch die Lernkulturen noch stärker zum selbstorganisierten und selbstverantworteten Lernen hin zu verändern.

Ein weiterer Aspekt war dann auch noch, wer (z.B. L&D?) die KI der Zukunft trainiert, damit diese inhaltlich, aber auch von den Werten her konform mit dem Unternehmen ist. Das war nur ein kleiner Blick auf die Gedanken, die in meiner Themengruppe diskutiert wurden.

All diese Themen und Ideen zeigten mir wieder, wie wichtig die Personalentwicklung im Unternehmen als Innovationsträger ist. Kai Liebert sagte das am Beginn des Forums so treffend. Das Business hat oft keine Ahnung, wie sich das Lernen in Zukunft entwickelt. Wir Personalentwickler müssen wissen, wie sich die Zukunft entwickelt und diese mitgestalten.

Ich fand diesen Tag wirklich inspirierend und freue mich schon auf das Herbstforum, wo am Disruptionsradar weitergearbeitet werden soll. Ich war ja skeptisch zuerst, was mich dort erwartet, und hatte ehrlich gesagt keine großen Erwartungen, aber ich wurde vom Gegenteil überzeugt und muss sagen, neben der Corporate Learning Community (Colearn) mit dem Corporate Learning Camp ist dies eine der besten Veranstaltungen für Personalentwickler für die inhaltliche Arbeit.

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